Im Jahre 2015 wurden in Deutschland 740.362 Kinder geboren. Hiervon erblickten 730.800 das Licht der Welt in einem Krankenhaus, 9.562 der Kinder wurden außerklinisch geboren [1]. D.h. insgesamt nur 1,29% aller Geburten fanden außerhalb eines Krankenhauses statt; die Babys wurden stattdessen in hebammengeleiteten Einrichtungen (wie z.B. Geburtshäusern und Hebammenpraxen) oder zu Hause geboren. 56% der außerklinischen Geburten fanden hierbei in einer hebammengeleiteten Einrichtung statt, wohingegen die restlichen 44% den Hausgeburten zuzuordnen sind [2].

Weiter ist hierbei davon auszugehen, dass rund 500 der 9.562 außerklinischen Geburten ohne Hebammenbeteiligung stattfand, also beispielsweise im Rahmen einer (geplanten oder ungeplanten) Alleingeburt [1].

Der Prozentsatz an außerklinischen Geburten blieb seit der erstmaligen Erfassung im Jahre 1999 durch die Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (QUAG) relativ konstant und schwankte zwischen 1,29% im Jahr 1999 und 1,83% im Jahr 2005 [1].

Was mich zu diesem Artikel veranlasste

Angeregt zu diesem Artikel hat mich die Tatsache, dass sich viele gerade unter dem Begriff „Geburtshaus“ offenbar nichts Konkretes vorstellen können. Auch kursieren zu viele (falsche) Vorurteile in Bezug auf eine außerklinische Geburt. Dies konnte ich persönlich feststellen, als ich nach der Krankenhausgeburt unserer Tochter im Jahr 2013 plante, unseren Sohn im Jahr 2015 in einem Geburtshaus zur Welt zu bringen.

Kommentare von „Ist es nicht leichtsinnig, außerhalb eines Krankenhauses zu entbinden?“ über „Na, du musst ja ein enormes Vertrauen in deinen Körper haben!“ bis hin zu „Also, wären wir nicht im Krankenhaus gewesen, wären mein Baby und ich jetzt tot!“ gehörten zur Standardaussage, sobald ich von unserem Geburtsort berichtete.

Da ich mich jedoch im Vorfeld ausgiebig mit der Datenlage befasst hatte und ich mich generell lieber auf statistische Fakten als persönliche Befindlichkeiten verlasse, stand meine Entscheidung für eine Geburt im Geburtshaus felsenfest. Leider gibt es in unserer Region seit dem Anstieg der Haftpflichtversicherung für Hebammen im Jahr 2015 keine Geburtshelferinnen mehr, die Hausgeburten durchführen bzw. als Beleghebammen arbeiten, war die Geburt im Geburtshaus zudem die einzige Alternative zur Klinikgeburt.

Da sich die meisten für diesen Artikel verwendeten Daten auf außerklinische Geburten im Generellen beziehen und Geburtshaus- bzw. Hausgeburten meist nicht separat ausgewiesen werden, habe ich mich im vorliegenden Artikel in der Regel auf außerklinische Geburten im Allgemeinen (und nicht nur auf Geburten im Geburtshaus) bezogen. Obwohl ich mich zum Thema „Hausgeburt“ aufgrund mangelnder persönlicher Erfahrung nicht selbst äußern kann.

Außerklinische Geburt - Babyfüße

Weshalb eine außerklinische Geburt / Geburt im Geburtshaus?

Nach der zunächst recht nüchternen Datenerfassung, die ich als Einleitung für meinen Artikel gewählt habe, möchte ich im Folgenden nun etwas näher auf das Thema „Geburt im Geburtshaus“ eingehen. Wieso, weshalb, warum entscheidet man sich für eine Geburt im Geburtshaus? Und was sind die Vor- beziehungsweise Nachteile?

Weshalb wir uns für eine Geburt im Geburtshaus entschieden haben

Nach der „eigentlich“* recht unproblematischen Geburt unseres ersten Kindes im Krankenhaus war für mich klar, dass ich weitere Kinder auf keinen Fall erneut im Krankenhaus bekommen würde. Unbekannte und wechselnde Hebammen, unsympathische Ärzte, unangenehme Routinemaßnahmen (wie beispielsweise das prophylaktische Legen eines intravenösen Zugangs) und die generelle Krankenhausatmosphäre hatten mir nicht behagt. Dass sich das Betreten einer unangenehmen Umgebung oder das Erscheinen unerwünschter Personen negativ auf den natürlichen Geburtsverlauf auswirken ist indes nichts Neues [3] und ist bereits seit über 130 Jahren bekannt [4].

Ich wollte nicht als „Patient mit medizinischem Problem“ gesehen werden, sondern als gesunde schwangere Frau, die einen normalen physiologischen Vorgang durchläuft. Trotzdem war mir eine intensive und professionelle Betreuung nach wie vor wichtig.

Weshalb Frauen sich für eine außerklinische Geburt entscheiden

Natürlich möchte ich in diesem Artikel nicht nur meine persönliche Situation und unsere ganz eigenen Beweggründe schildern, sondern die Situation im Generellen betrachten. Die von den meisten Frauen angeführten Gründe sind jedoch relativ Deckungsgleich mit meinen persönlichen Beweggründen.

  • Es besteht der Wunsch nach einer natürlichen Geburt [5]. In den allermeisten Fällen handelt es sich bei einer normalen Geburt um einen normalen physiologischen Vorgang, der durch unnötiges Eingreifen eher empfindlich gestört werden kann. Dies bemängelte aktuell auch die WHO und gab im Februar 2018 neue Richtlinien für Geburten heraus mit 56 Empfehlungen. Darin wurden viele gängige Methoden (Dauer-CTG, Interventionen bei langsam voranschreitender Geburt, etc.) scharf kritisiert [6].
  • Unnötige medizinische Maßnahmen sollen vermieden werden [5]. Im Jahr 2015 betrug die Kaiserschnittrate in Deutschland 31,1% [7]. Laut WHO gibt es keine Rechtfertigung für eine Rate, die höher als 10 bis 15% ist [8]. Auch die Bundesregierung erklärte in einer Drucksache von Juni 2017, dass die Kaiserschnittrate in Deutschland weit über dem EU-Durchschnitt läge [9] und im internationalen Vergleich viel zu hoch sei. Befeuert wird die Debatte durch die Tatsache, dass Kaiserschnitte (und besonders nicht geplante Kaiserschnitte) deutlich höher vergütet werden als eine normale Geburt [8]. Auch ein Blick auf die Rate der durchgeführten Dammschnitte lohnt sich: Bei außerklinischen Geburten liegt sie bei 3,7% [5], in Kliniken beträgt sie 34,1% und wird damit im internationalen Vergleich ebenfalls als deutlich zu hoch eingestuft [10].
  • Man möchte gewisse gesundheitliche Risiken vermeiden. Dies ist besonders interessant, wenn man den zuletzt genannten Punkt berücksichtigt: Bei außerklinischen Geburten weisen 41,2% der Frauen einen intakten Damm nach der Geburt auf, während es in Kliniken lediglich 29,8% aller Frauen sind [5].
  • Der Wunsch nach mehr persönlicher Entscheidungsfreiheit und einem größeren Mitspracherecht besteht [5]. Dies drückt sich schon alleine durch die eingenommene Geburtsposition aus: Während in Kliniken nach wie vor 86,1% aller Frauen in der als physiologisch ungünstigen (aber für medizinische Eingriffe vorteilhaften) Rückenlage entbinden, sind es bei außerklinischen Geburten nur 23,7% aller Frauen [5].
  • Man möchte durch eine vertraute Person betreut werden [11]. Üblicherweise kennt man die Hebamme bereits im Vorfeld – und auch die Hebamme kennt die Schwangere bereits und kann sie und ihre (gesundheitliche) Verfassung gut einschätzen.

Außerklinische Geburt

Einige Zahlen und Fakten zur Qualität außerklinischer Geburten

Gerade die Frage nach der Sicherheit einer außerklinischen Geburt ist offenbar von enormer Bedeutung und hat auch für mich im Vorfeld meiner zweiten Entbindung eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Als Naturwissenschaftlerin mache ich mir persönlich nicht viel aus Mundpropaganda, Schreckensberichten oder den Erfahrungen von Einzelpersonen, sondern verlasse mich lieber auf vertrauenswürdige Quellen und aussagekräftige Statistiken, die verlässlich und nachvollziehbar sind.

Einige Anmerkungen zu den erfassten Daten

Um eine vergleichbare Datenlage zu schaffen, wurden die beiden Kollektive (d.h. die Vergleichsgruppen „Klinische Geburt“ und „Außerklinische Geburt“) einander angeglichen. Medizinische „Problemfälle“, Risikoschwangere und gewisse ethnische Gruppen wurden für die Statistik aus den Klinikgeburten herausgerechnet. Es wurde somit sichergestellt, dass die beiden Vergleichsgruppen einander auch wirklich unter realistischen Voraussetzungen gegenübergestellt wurden.

Die Situation bei außerklinischen Geburten insgesamt

Natürlich möchte ich hier nicht lediglich unsere Situation als Paradebeispiel anführen, sondern auf Geburtshäuser im Allgemeinen eingehen beziehungsweise die Situation in der außerklinischen Geburtshilfe beschreiben (sofern die Daten aus hebammengeleiteten Einrichtungen und Hausgeburten nur zusammengefasst und nicht separat verfügbar waren.

  • Fast alle hebammengeleiteten Einrichtungen befinden sich in unmittelbarer Nähe einer Frauenklinik. Bei 90,7% aller Einrichtungen liegt die nächste Klinik weniger als 10 km entfernt, bei 6,0% beträgt die Entfernung 10 bis 15 km [5].
  • Bei einer Hausgeburt hat die Hausgeburtshebamme üblicherweise keine weite Anfahrtsstrecke. In 67,2% der Fälle betrug der Weg weniger als 20 km und in 22,5% der Fälle lag er zwischen 21 und 40 km [11].
  • 83,7% aller außerklinischen begonnenen Geburten konnten auch außerklinisch beendet werden. Wurden hierbei noch 31,3% aller Erstgebärenden verlegt, waren es unter den Mehrgebärenden nur noch 7,3% [5]. Die häufigsten Gründe für eine Verlegung waren hierbei ein Geburtsstillstand (51,5% der Fälle), ein auffälliges CTG (12,9% der Fälle) oder der persönliche Wunsch der Mutter war ausschlaggebend (9,0% der Fälle). Weitere Gründe waren ein vorzeitiger Blasensprung, grünes Fruchtwasser oder ein hoher Geradstand. 92,9% aller Verlegungen erfolgten hierbei ganz in Ruhe, bei lediglich 7,0% aller Verlegungen war Eile geboten [11].
  • 95,1% aller Frauen, die außerklinisch entbunden haben, hatten keinerlei medizinische Probleme nach der Geburt. Lediglich 3,4% aller Frauen mussten nach der Geburt ins Krankenhaus verlegt werden [11].
  • Nur 1,6% aller außerklinisch geborenen Kinder wurden nach der Geburt in eine Klinik verlegt [11].
  • Die perinatale Mortalität (Totgeburten und kindliche Todesfälle bis zum 7. Tag nach der Geburt) lag bei 0,12% [11]. Eine im Jahr 2009 in den Niederlanden veröffentlichte Studie [12], bei der eine deutlich größere Fallzahl berücksichtigt wurde, ergab eine perinatale Mortalität von 0,06% bei Hausgeburten und 0,07% bei Klinikgeburten.
  • 99,3% aller außerklinisch geborenen Kinder hatten einen 5-Minuten-APGAR größer oder gleich 7 [11]. Der 1-Minuten-APGAR war bei den außenklinischen Geburten sogar signifikant besser als bei den Klinikgeburten.

Außerklinische Geburt - Babyhände

Nachteile einer außerklinischen Geburt

Hierzu konnte ich keine statistischen Werte oder Publikationen finden, zähle jedoch einige Punkte auf, die unter Umständen von einigen Frauen als Nachteil empfunden werden können:

  • Es besteht keine Möglichkeit zur Schmerzlinderung durch eine PDA.
  • Fand die Geburt in einer hebammengeleiteten Einrichtung statt, muss man nach üblicherweise drei bis vier Stunden eine Autofahrt nach Hause in Kauf nehmen.
  • Der Anfahrtsweg zu einer hebammengeleiteten Einrichtung ist unter Umständen länger als die Entfernung zur nächstgelegenen Klinik.
  • Bei einer geplanten Hausgeburt muss man selbst die Vorbereitungen treffen und ist unter Umstände „in Hörweite“ der Nachbarschaft.

Fazit

Außer der unter [5] genannten Studie konnte ich keine deutsche Publikation finden, die einen direkten Vergleich zwischen außerklinischen Geburten und Klinikgeburten behandelt. Auch international gibt es nur rund ein halbes Dutzend Publikationen, die sich diesem Thema gewidmet haben. Möchte man sich umfassend informieren, muss man daher selbst eine ausgiebige Recherchearbeit betreiben.

Aus den angegebenen Quellen kann man jedoch schließen, dass die außerklinische Geburt definitiv eine gute und sichere Alternative zu der hierzulande „üblichen“ Klinikgeburt darstellt. Die Risiken sind, statistisch betrachtet, nicht höher als bei einer geplanten Geburt im Krankenhaus.

Einige Risiken sind bei einer außerklinischen Geburt definitiv geringer und auch der natürliche Geburtsverlauf wird zumeist deutlich besser gewahrt. Der Umgang mit den Schwangeren ist in aller Regel wesentlich respektvoller.

Ob eine außerklinische Geburt nun die „bessere Alternative“ ist, kann pauschal nicht beantwortet werden. Das muss jede Schwangere für sich selbst entscheiden, sofern keine medizinische Indikation vorliegt, die eine Entbindung in der Klinik zwingend notwendig macht. Denn wer die Sicherheit eines Krankenhauses benötigt oder die Gewissheit, dass sich eine Kinderintensivstation in unmittelbarer Nähe befindet, ist mit einer außerklinischen Geburt sicherlich eher schlecht beraten.

Fakt ist jedoch: Für eine optimale Geburt benötigt frau ein Umfeld, in dem sie sich wohl fühlt und gut betreut wird. Wie diese Umgebung aussieht, muss jede Schwangere, bei der keine medizinischen Notwendigkeit für eine Klinikgeburt vorliegt, individuell und für sich selbst entscheiden. Sofern dies in der heutigen Situation (Hebammenmangel, etc.) noch möglich ist.

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Falls ihr Fragen oder Anmerkungen zu diesem Thema habt, könnt ihr mir gerne einen Kommentar unter diesem Artikel hinterlassen oder mich unter aktivmitkindern@yahoo.com kontaktieren. Falls euch seriöse Studien / Statistiken zu diesem Thema bekannt sind, die mir bisher entgangen sind, würde ich mich ebenfalls über einen Hinweis freuen.

Quellen:

[1] Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe, „Geburtenzahlen in Deutschland“, http://www.quag.de/quag/geburtenzahlen.htm

[2] Loytved, C.: Qualitätsbericht 2006″, Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe

[3] Gaskin, I.M., „Die selbstbestimmte Geburt“, S. 130, Kösel Verlag, 10. Auflage, 2015

[4] Cazeaux, P., Obstetrics: The Theory and Practice“, 1884, 7. Auflage, Philadelphia

[5] Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe, „PILOTPROJEKT zum Vergleich klinischer Geburten im Bundesland Hessen mit außerklinischen Geburten in von Hebammen geleiteten Einrichtungen bundesweit“, S. 12, 2011

[6] Deutschlandfunk, „WHO gibt neue Richtlinien für Geburten heraus“, 15. Februar 2018, http://www.deutschlandfunk.de/medizin-who-gibt-neue-richtlinien-fuer-geburten-heraus.2850.de.html?drn:news_id=851215

[7] Statistisches Bundesamt, 2016

[8] Stuttgarter Nachrichten, „Zu viele Kaiserschnitte, weil es sich für die Kliniken lohnt?“, 20. April 2017, https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.geburten-in-deutschland-zu-viele-kaiserschnitte-weil-es-sich-fuer-die-kliniken-lohnt.c5a71456-0f14-4835-bacf-8e7d3cbfad53.html

[9] Deutscher Bundestag, „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Ulle Schauws, Maria Klein-Schmeink, weiter Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN“, 19. Juni 2017, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/127/1812767.pdf

[10] Institut für Qualität und Patientensicherheit, http://www.bqs-qualitaetsreport.de/2005/ergebnisse/leistungsbereiche/geburtshilfe/ergebnisse/dammriss

[11] Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe, „Qualitätsbericht 2016“, S.20, 2017

[12] De Jonge et al., „Perinatal mortality and morbidity in a nationwide cohort of 529, 688 low-risk planned home and hospital births.“, BJOG, 2009